Wissenschaftler – Prolog

Op Tschernobyl

Wissenschaftler - Prolog 2020

Militär und Wissenschaftler

Im dritten Stock des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft kommt das Komitee zur wöchentlichen Planungssitzung zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Gründung einer Abteilung, die Grundlagenforschung und angewandte Forschung auf den Gebieten Radio, Radioastronomie, Kosmologie und Funktechnik betreibt. In seiner weiteren Entwicklung sollen weitere Kernthemen ins Forschungsgebiet der neuen Einrichtung aufgenommen werden – die Sonnenphysik, die Sonne-Erde-Physik sowie die damit verbundenen Geophysik. Im weiteren Beschluss wird das zukünftige radiophysikalische Forschungsinstitut NIRFI seinen Standort in Gorki bekommen.

So unspektakulär diese Sitzung des Planungskomitee des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft am 19.09.1956 war, es legte den Grundstein für alle weiteren Ereignisse bis hin zum Vorfall in der Zone am 26.09.2020. Aber greifen wir nicht weiter vor.

In den 1960 spitzt sich die Lage zwischen den beiden Supermächten USA und UDSSR weiter zu. Neben der zivilen Forschung gehen weitere Überlegungen in Richtung militärischer Anwendungen. Hier war es von der Grundlage egal, ob defensiver oder offensiver Natur. Grundsätzlich ging es um die Stärkung des eigenen Systems und gegen den Klassenfeind. Global gedacht, spielte das Wetter bereits in der Vergangenheit immer eine Rolle. Ob es nun die perfekte Ernte, zur Versorgung der Truppe oder ein vom Regen durchweiter Boden dem Feind das Vorankommen unmöglich machte. Das Wetter, gab zu allen Zeiten, einen entscheidenden Ausschlag! Was lag also näher, als eine Anordnung des Zentralkomitees, die zivile Forschung im NIRFI zu erweitern oder neu auszurichten?

Im Laufe der Späten 1960 wurde also verstärkt, an der Wetterbeeinflussung in Gorki, geforscht unter dem Projektnamen SURA. Dies sollte sich noch bis in die Mitte der 1970 hinein, in der Grundlagenforschung zur Klimawaffen niederschlagen. Erst mit dem Ende des Vietnamkrieges kam es, im Rahmen der teils katastrophalen Umweltfolgen, zum Umdecken unter den Klassenfeinden.  Die UDSSR brachte die ENMOD-Konvention auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen und ließ über ein Verbot abstimmen. Diesem Abkommen stimmenten in der endgültigen Fassung bis 1978 insgesamt 47 Mitgliedsländer zu und unterschrieben die ENMOD-Konvention. Auch intern blieb die Führung der UDSSR, ihrer nach außen getragener, Linie treu und stoppe alle weiteren Forschungen in Gorki.

Dann begann 1981 eine weitere heiße und letzte Runde im kalten Krieg. Die Führung in Moskau vermutetet hinter der US-Forschungseinrichtung HAARP, welche 1980 gegründet wurde, eine erneutes Forschungsprojekt zur Wetter Kontrolle. Natürlich mit militärischer Nutzung.

Als Reaktion dieses vermeintlichen Bruchs, wurde ein weiterer Ableger des SURA in der Nähe Atomkraftwerkes Tschernobyl gegründet. So stand, mit der militärischen Unterstützung der Ingenieure der Anlage DUGA 1, ab 1981 den Sowjets erneute eine Grundlagenforschung zu Klimawaffen zur Verfügung. Weiter abweichend vom ursprünglichen SURA Projekt, setze die Anlage in Tschernobyl auch chemische Stoffe und Kleinstpartikel zur Beeinflussung der unteren Luftschichten ein. Ergänzt um die seit den 1950ern gewonnen Erkenntnissen der Ionosphärenforschung. So wie sich beide Parteien im Kalten Krieg im laufe der 1980er steigerten, kam auch die Forschung im Tschernobyl Projekt mit großen Schritten voran. Bis… ja bis 1986 der erste weltweite Supergau im Reaktor-Block vier des Kernkraftwerks Tschernobyl passierte.

Die Region um das Kraftwerk rückte mit einem Mal in den Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Was nicht nur die Aufklärung um die Kettenreaktion zum Entstehen des fatalen Fehlers im Kraftwerk zu folge hatte, nein auch die DUGA 1 Radaranlage wurde aufgrund ihrer Größe von allen westlichen Geheimdiensten in den Fokus gesetzt. Was aber, mit Blick auf das von der UDSSR selbst erstellten ENMOD-Konvention, unter allen Umständen vertuscht werden musste, der Ableger des SURA zur Wetterforschung. So wurden bereits kurz nach der Explosion Sicherheitsmaßnahmen ergriffen und eine teilversiegeln des Labors und die Zerstörung des Antennenfeldes nahm durch Anweisung der Führung in Moskau ihren Lauf. Nach weiteren Wochen erfolgte dann die komplette Abschottung des Laborkomplex. Allerdings nicht, bevor ein Großteil der Akten nach Gorki bzw. ins heutige Nischni Nowgorod verfrachtet wurden. Hier erfolgte, auf einstimmige Entscheidung der Führung, das „Deckmäntelchen des Schweigens“ über die von 1981 bis 1986 illegal betriebene Forschung zu legen. Somit entsprach man in der Sowjetunion der seit 1978 gültigen Konvention und ließ die Forschung auf diesem Gebiet ruhen.

Mit dem Ende der UDSSR und dem Zerfall des Warschauer Paktes geriet auch das ehemalige Forschungsobjekt und sein Standort in den wilden Tagen der Auflösung des Riesenreiches in Vergessenheit.

Dieser Zustand sollte sich bis ins Jahr 2020 fortsetzen, wo im Rahmen der Öffnung oder besser gesagt, der Wiederfindung alter Akten -eben diese Forschungsakten aus 1986- in einem Schutzraum in Nischni Nowgorod, dem früheren Gorki, erfolgte.

In der Sperrzone selbst, fand der Erkundungstrupp aus Militär und Wissenschaftlern schnell heraus, dass 2006 mit dem zweiten Gau, sich das alte Labor in eine Anomalie mit Artefakten verwandet hatte. Ob durch vorhandene Chemikalien oder Gerätschaften oder einfach nur Zufall, es zur Entstehung der Artefakte bzw. der Anomalie kam, gilt es rauszufinden. Sollte das Ereignis wiederholt werden können und somit Anomalien nicht mehr nur durch Zufall entstehen…

Stalker und Freiheit

Es ist Hochsommer in der Sperrzone, rund um das alte Krenkraftwerk, von Tschernobyl. Prophet, Seher und seines Zeichen Führer der Stalker, einer Truppe heimatloser Abenteurer, Nostromus befindet sich auf dem Weg zur wissenschaftlichen Forschungseinrichtung. In der gestrigen „Sitzung“ seiner Stalker wurde in einem Artefakt überreicht, welches leichte Abweichungen von den bisher gezeigten und bekannten Eigenschaften aufweist. Kurz, beste Voraussetzungen, um seine Taschen mit Rubel für die eigenen Leute zu füllen. Erste Anlaufstelle, wie so oft, die von Kiew unterstütze und erlaubte Forschungseinrichtung. Gerade was Geld angeht, scheint eine Beauftragung durch Universitäten, Forschungseinrichtungen und Regierungen eine mehr als fruchtbare Symbiose zu sein. Das und die immer geweckte Neugier der Wissenschaftler für neues und unbekanntes aus der Zone lassen den eigenen Geldbeutel sich rasch und schnell füllen.

Verwundert stellt Nostromus fest, dass ihm ein Konvoi mit Militärkennzeichen aus Richtung der wissenschaftlichen Einrichtung entgegenkommt. Grundsätzlich kein seltener Anblick, in der Speerzone von Tschernobyl aber die Kennenzeichen weißen das Fahrzeug einer Einrichtung nahe der Hauptstadt zu und nicht dem örtlichen Militär. Nostromus zieht sich vom Weg weiter in die Schatten des Waldes zurück und lässt den Konvoi passieren. Seltsam, nicht nur dass die Fahrzeuge aus der Region der Hauptstadt kommen, nein es ist auch bestes und neues Material was hier unterwegs ist. Nicht die in die Jahre gekommenen alten Einheiten der hiesigen Soldaten. Dazu scheint eines der Fahrzeuge kein Personal auf der Ladefläche zu transportieren, sondern es blicken Kartons unter Plane durch.

Nun gut, der Transport hatte ihn wohl entdeckt. Die Soldaten zeigten sich sehr aufmerksam. Was nun nicht ungewöhnlich für Menschen ist, die die Zone nicht gewohnt sind. Davon ab, bestand aber kein weiteres Interesse an einer Person am Wegesrand. Diese schloss ihr Auftrag wohl nicht sein. Sei es drum, Zeit den Fund in Rubel für seine Leute zu verwandeln.

Vor Ort angekommen, begrüßte ihn ein Sicherheitsdienst mit dem Emblem der Wissenschaftler. Moment, ein Sicherheitsdienst? Seit wann hat die Forschungseinrichtung ihr Personal aufgestockt? Deutlich zurückhaltender hebt Nostromus die Hand zum Gruße und wird Empfangen.

Später berichte er in der Runde seiner Vertrauten, dass sich ab sofort eigenes Sicherheitspersonal um die Belange der Wissenschaftler kümmert. Dieses sich aber strickt auf das Gebäude und die unmittelbare Umgebung beschränken wird. Wir also weiterhin für Aufträge anheuern können. Weiter wurde natürlich auch über den Konvoi gesprochen, was zu tage förderte, dass dieser sich zum örtlichen Militärstützpunkt weiterbewegt. Was aber im Lager passierte oder geliefert wurde, blieb verborgen. Allerdings sprach Nostromus in dieser Runde noch einen größeren Stapel an Kisten mit Akten an, welche sich noch im Eingangsbereich der Forschungseinrichtung befanden. Diese wirkten wie gerade geliefert und waren mit russischer Schrift und Zeichen der UDSSR beschriftet gewesen. In der Fraktion wurden drei Punkte an diesem Abend vereinbart:

  1. Der Militärkonvoi aus der Hauptstadt bleibt unter Beobachtung.
  2. Die Wissenschaftler bleiben unter Beobachtung.
  3. Mehr über die Lieferung, vermutlich Akten, in Erfahrung bringen.

Zwei dieser drei Punkte sollten sich in den nächsten Tagen als Interessant rausstellen. Wobei Punkt ein sich schnell auflöste. Nach einer Nacht im örtlichen Militärstützpunkt verlies der Konvoi aus Kiew die Speerzone und die Arbeit zwischen Wissenschaftlern und Soldaten begann.