Januar 2019, Kornej Sagorski „Der Schmuggel“
Wir schreiben den 05. Januar 2019, auch in der Zone ist der Winter eingezogen. Die Weihnachtstage stehe kurz bevor aber Kornej Sagorski treibt es ein letztes Mal in das Gebiet um das Kernkraftwerk von Tschernobyl. Es lockt ein Auftrag durch das wissenschaftliche Forschungslabor im Sperrgebiet. Sagorski wurde durch den Leiter vor Ort, Dr. Pjötr Ivanoff, vor ein paar Tagen kontaktiert. Es gäbe Arbeit und damit Geld für die Weihnachtsgeschenke. Dinge müssten die Zone verlassen. Der offizielle Weg über die Regierung in Kiew und das Militär wären keine Option. Gesucht wird ein „Freihändler“.
Wie Ivanoff schon sagte, es steht Weihnachten vor der Tür und die Kasse ist klamm. Das Jahr brachte bisher nur mäßigen Ertrag ein. Dazu stehen die Raunnächte an und in diesen hält man sich nicht in der Zone auf. Letzte Gelegenheit, letzter Einsatz dieses Jahr!
Der Auftrag umfasst allerdings einen sehr heiklen Paart, es soll in die Nähe des Reaktorgebäudes gehen. Das wissenschaftliche Team vermutet hier ein Artefakt eines bestimmten Typs. Dieses soll mit drei weiteren, bereits zum Transport gesicherten, aus der Zone raus.
Die Zonengrenze wird nur von einer Rumpfmannschaft, so kurz vor den Feiertagen, bewacht. Und meist waren diese paar Mann, wenig aufmerksam. Dazu sicherte mir Ivanoff zu, dass das Militär am Checkpoint nicht all zu genau hinsehen wird. Er habe seine Kontakte genutzt, wenn ich verstehe was er meine und hier Vertraue ich seiner Aussage. Die Lieferung macht einen zu wichtigen Eindruck, für den Forscher, als dass er ein Risiko eingehen würde.
Ein anderer Fall ist sein Wunsch, der mich in direkte Nähe zum havarierten Kernkraftwerks führen würde. Hier spielt das Militär nicht die Hauptrolle. Ganz im Gegenteil, die anderen Fraktionen mischen mehr als ein wenig mit. Dazu die Strahlung, die Mutationen und diese eigenartig verformten Gebiete…
Aber verdammt, der Preis stimmt. Es ist ihnen wohl mehr als ernst.
April 2019 Die Experimente
Es geht auf den Frühling zu, die Forschungseinrichtung des MPI in Heidelberg erwartet bereits sehnsüchtig eine nicht ganz offizielle Lieferung aus der Ukraine. Seit Wochen ist alles für ein Experiment vorbereitet.
Zwar sollte ich als Leiterin des Projektes meine Emotionen nicht so zeigen aber auch ich kann mich der Spannung nicht entziehen. Unruhe macht sich breit und ich reagiert zunehmend gereizt. Der Kollege, Dr. Ivanoff, hat nun ja bereits das Eintreffen der Kisten für März angekündigt aber auch drauf hingewiesen, er habe keinen direkten Einfluss mehr. Sorgen soll ich mir aber keine machen, der Kurier wäre vertrauensvoll und die Transportwege sicher. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass weiterhin die zweite wichtige Komponente oder der Gegenpart fehlt und mein Team und ich nicht weiter kommen. Was uns fehlt? Vier Kisten mit jeweils einem Artefakte aus Tschernobyl. Oder genauer gesagt, der Zone.
Mitte April 2019, in den frühen Morgenstunden holt mich ein Anruf auf meinem privaten Telefon aus dem Bett. Verschlafen drehe ich mich um und schaue nochmals zum Telefon rüber. Keine Frage, es ist nicht das berufliche Smartphone, nein es ist der private Apparat. Augenblicklich bin ich hell wach. Um diese Uhrzeit? Ungewöhnlich! Mich überkommt ein prickeln und ich nehme das Gespräch entgegen. „Hallo guten Morgen.“ Im schlechten Englisch antwortet mir eine Männerstimme mit einem starken osteuropäischen Akzent. „Ihre Lieferung wird noch vor Sonnenaufgang das MPI erreichen. Bitte halten sie sich bereit!“ Es ist so weit, die Nacht ist vergessen, hier kann es nur um eines gehen, die Artefakte von Kollegen Ivanoff sind eingetroffen! Zeit das Team zu informieren.
Die kleine verschworene Gemeinschaft von Forschungsprojekt 4087-09/1 ist eingeweiht und brennt, ebenso wie ich, auf das Eintreffen der letzten Komponente. Es geht also los und der Kurrier hält seine Ankündigung. Noch vor Sonnenaufgang befinden sich die vier Kisten im Labor. Keine Zeit, die positive Erregung hat uns alle erfasst und wird nutzen den Tag. Das Experiment, heute, endlich!
Ivanoff hat Wort gehalten die Artefakte sind Klasse A. Besser als alles was uns bisher zur Verfügung stand. Keine Probe oder ein Splitter einer Anomalie. Nein, vollständig und kraftvoll zeigen sich bereits, auf unseren Grundlagen aufbauende, erste interessante Ergebnisse.
August 2019 Die Entscheidung für die Zone
Wir forschen nun bereits seit fünf Monaten und die Daten zeigen uns immer weiter auf, es reicht nicht. Nicht das keine Ergebnisse vorliegen. Nicht das diese Ergebnisse negativ ausfallen. Aber selbst diese bestens erhaltenen Artefakte vermögen nicht den Zeiger auf Erfolg zu stellen. Und alle im Team sind sich bereits nach diesen fünf Monaten einig, in Heidelberg sind wir am Ende unserer Möglichkeiten angelangt. Nun stand für uns die Entscheidung an, Abbruch oder volles Risiko. An Aufgabe denk? Nein, nicht bei diesem Fortschritt! Wir werden die Proben und die Daten in die Zone bringen. Es kann nur hier gehen. Die Artefakte und die Zone. Es macht den Eindruck, dass beides eine Symbiose eingeht, dauerhaft. Trenne ich die Artefakte von der Zone, verlieren sie an Intensität und Wirkung. Somit kann es nur die eine Lösung geben. Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache!
Ein kleiner Rückschlag, Ivanoff ist für mich oder besser für keinen erreichbar. Auch die offiziellen Kanäle haben seit Wochen kein Lebenszeichen von ihm erhalten. Ich bin besorgt. Eine letzte Chance gibt es über den Mittelsmann in Berlin. Sein Netzwerk zählt zu dem besten. Wenige Tage später, meine innere Unruhe stieg überproportional mit der warte Dauer, fand ich die Rückmeldung auf meinem Anrufbeantworter. „Dr. Pjötr Ivanoff bleibt verschollen. Status unbekannt. Kontakt zu Sagorski hergestellt. Sagorski dem Schmuggler, der -wie ich mittlerweile weiß- die Artefakte lieferte. Nehmen Sie direkten Kontakt auf, sie wurden angekündigt.“ Ich notierte mir die Kontaktdaten die der Mittelsmann abschließend auf dem AB hinterließen und sich mit „Viel Glück!“ verabschiedete. Und auf dieses Glück würde ich setzen.
Für ein unverschämtes Entgelt wird er auch diese Lieferung übernehmen und er ist sich sicher, den Kollegen in der Zone ausfindig zu machen. In diesem Fall haben wir, mein Team und ich, gemeinsam entschieden, auf unser Glück zu setzen und hoffen, dass Sagorski in die Zone vorstoßen kann und Invanoff antreffen wird.
13. September 2019, Kornej Sagorski „Es wird knapp“
Eine verdammte Goldgrube. Sowohl Ivanoff als auch diese Forscherin aus Heidelberg. Zwar musste ich ihr ausreden, dass sie oder einer aus ihrem Team mich begleitet aber die gebotene Summe für den Auftrag ist trotz Nachlass verdammt überzeugend. Ein handlicher gut gesicherter Koffer, mehr ist es nicht. Klein und leicht genug um auch ohne Hilfe von Dr. Ivanoff in die Zone eindringen zu können. Der Weg innerhalb, zum Forschungslabor, stellt nicht das Problem da. Mit dem Geld was ich hier verdient habe, lässt sich auch die ein oder andere Wache schmieren und ich mach trotzdem meinen Schnitt. Ha verdammt, dann zeige ich meinen Geschäftspartner wie verlässlich ich auch diesen Auftrag ausführe! Und Ivanoff wird schon wiederauftauchen. Als ob die Zone diesen Mann einfach verschlucken würde.
Der 13. September. Die Zeichen stehen gut, es kündigt sich ein bedeckter nebelverhangener Tag an und nicht dieser verdammte Hochsommer aus 2018. Verdammt, dieses verdammt sage ich wirklich verdammt oft. Sollte ich mir abgewöhnen. Sei es drum, die Arbeit geht erst einmal vor… verdammt. Auf Sagorski Gesicht zeichnet sich ein weiteres Mal ein lächeln ab. Gute Bezahlung, fordernder Auftrag, was will man mehr.
Wie ich erwartete, lies sich die Zonengrenze mit ein paar wenigen Scheinen passieren. Das Ding lief aber dann, was verdammt ist dann schief gelaufen? Wie konnte ich die Patrouille nur übersehen. Und dann noch diese verflucht verdammte Einstellung dieser Bande, erst zu schießen und dann zu fragen. Knapp war es, verdammt knapp. Sagorski betrachtet eine Wunde an seinem Arm und die Schrammen über seine komplette linke Seite die er sich bei seinem Sprung ins Dickicht zugezogen hatte. Und der Koffer…
Ja der Koffer macht mir am meisten Sorgen. Wunde und Schrammen verheilen und die Patrouille scheine ich auch los – für den Augenblick. Aber der Koffer weißt zwei Treffer auf. Hoffen wir das Beste. Ich sollte schleunigst zu Ivanoff und das Ding loswerden.